Nancy Atakan

Azade oder über die Freiheit
ein Essay von Susann Wintsch, Oktober 2016

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My Name is Azade ist eine buchstäblich vielschichtige Bildergeschichte über die Zerbrechlichkeit der Freiheit und die Biegsamkeit von Wahrheit. Nancy Atakan erzählt sie in 23 anmutigen Zeichnungen, welche die Lebenserinnerungen einer Istanbuler Bewegungstherapeutin namens Azade festhalten. Einige Jahre bevor sie sich zur Ruhe setzte, hat sie eine Videokassette für ihre Schülerinnen, darunter auch Nancy Atakan, aufgenommen, um die von ihr entwickelte Technik der Nachwelt weiterzugeben. Von der Existenz einer Videokassette erfahren wir jedoch erst auf der zweitletzten Zeichnung. Bis dahin lässt uns die Künstlerin im Unklaren, woher die Geschichte dieser Frau stammt, deren türkischer Namen „Freiheit“ bedeutet, und in deren Erinnerungen sich die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt.

Azade und der Löwe
Die erste Zeichnung zeigt eine junge Frau mit einem gewellten Bubikopf und keck in die Stirn fallende Locke. Diese ausgesprochen westliche Frisur war damals Zeichen eines unabhängigen, modernen und kühnen Geistes und wurde etwa von der kanadischen Schauspielerin und Filmproduzentin Mary Pickford nach dem Ersten Weltkrieg getragen. Ebenso selbstbewusst und unerschrocken wie die erfolgreiche Akteurin der Stummfilm- und frühen Tonfilmzeit schaut auch Azade aus dem Bild. Um 1918 war sie allerdings zu jung, um dem Versprechen ihres Namens gerecht zu werden. Jedoch ist ‚Freiheit’ auf diesem Bild wohl gerade volljährig, deshalb können wir es auf das Jahr 1926 datieren.

Auch die zweite Zeichnung ist einer Porträtfotografie nachempfunden. Sie zeigt Azades Vater um 1900 als jungen Armeeangehörigen mit Fes und mächtigem Schnauzbart. Azade schildert ihren Vater als hohen Offizier und persönlichen Assistenten des Sultans. Zugleich sei er auf den Plätzen Istanbuls als Redner für Freiheit und Demokratie aufgetreten, was ihm den Übernamen „Löwe der konstitutionellen Monarchie“ (Meşrutiyet Aslam“) eingetragen habe. Azade setzt nach: „Im Grunde war mein Vater ein Aktivst“. Diese Bemerkung aus dem Mund der Istanbuler Mary Pickford, die Nancy Atakan gezielt zwischen die Spitze des väterlichen Schnauzbartes und seinen Uniformkragen setzt, lässt westliche Vorurteile über eine „despotische, orientalische Gesellschaft“ mit der politischen und modischen Avantgarde kollabieren (von der westliche üblicherweise Leser glauben, sie wäre eine ausschliesslich westliche Erscheinung).

Auf dem folgenden Bild (Zeichnung 3) berichtet Azade, wie das Leben ihres Vaters 1909 gleich doppelt bedroht worden sei: durch die Jungtürken, die ihm die charismatischen Reden neideten, und durch den erbosten Sultan, der ihn aus dem gleichen Grund als Verräter erschiessen lassen wollte. Der junge Offizier flüchtete nach Schweden, wo er sich mit Per Henrik Lings Gymnastiklehre vertraut machte. Diese Ausbildung, so Azade, veränderte ihr Leben. Zu unserem Erstaunen sehen wir junge Männer, die in akkuraten Reihen auf dem Boden sitzen und ihre Bauchmuskeln trainieren. Ihnen wird auf der nächsten Zeichnung ein Kraftprotz gegenübergestellt, möglicherweise ein traditioneller Öl-Ringkämpfer, der dem Vater ähnlich sieht. Über seiner Schulterbeuge steht die selbstgefällige  Bemerkung, dass Muskeln nicht zwingend mit guter Gesundheit gleichzusetzen seien (Zeichnung 4).

In ihren Memoiren bleibt Azade fasziniert und gebannt von der Geschichte des Vaters. Kaum zurück in Istanbul, setzt dieser den Aktivismus auf der Strasse unverdrossen fort. Dort begegnet er, inzwischen arbeitslos, dem Erziehungsminister, der ihn geradewegs zum Schulsportinspektor des Osmanischen Reiches befördert (Zeichnung 5 und 6). In dieser Stellung schafft er, nach und nach, die Kopftuchpflicht für Mädchen beim Turnunterricht ab. Dies gelingt, weil er die höchsten religiösen Führer davon überzeugt, dass ihre Turbane und demzufolge auch das Kopftuch das Training behindere (Zeichnung 8). Um 1932 sehen wir Azades Vater am Mikrophon sitzen, wo er in allabendlichen Sendungen den gesunden Körper als Chance für Gesellschaft und Politik propagiert. In charismatischen Reden vor der ganzen Nation kommentiert er die „Kultur des modernen Lebens“ (Zeichnung 18). Seine beiden Töchter, die in Berlin Tanz und Gymnastik studiert haben (Zeichnung 10), führen im Radiostudio Schrittfolgen vor, die er live kommentiert (Zeichnung 18).

Abenteuer eines Jungtürken
Genüsslich stürzt Nancy Atakan den westlichen Betrachter (die Erzählung ist für ihn in englischer Sprache verfasst) in ein Wechselbad der Gefühle: Mal sind wir erstaunt, dann wieder amüsiert, gleich darauf irritiert. Bruchstücke historischer Informationen fliegen uns entgegen und vermengen sich mit einer Schelmengeschichte, die Nancy Atakan in kunstvoll verknapptem Stil und mit trockenem Humor entstehen lässt, sodass wir immer weniger zwischen Tatsachen und Erfindung zu unterscheiden wissen. Mitleidlos werden wir irregeführt – wobei die Verwirrung Teil des Vergnügens ist – und beginnen zu ahnen, dass unser Wissen und Geschichtsverständnis auf dem Prüfstand steht.

Virtuos spielt die Künstlerin ferner Vorstellungen des despotischen, chaotischen und unberechenbaren Orients hinein: Ein aufrechter Jüngling ist in grosse Gefahr, da der Sultan und intrigante Neider nach seinem Leben trachten. Seine Flucht wirft ihn in die grosse weite Welt, bis er in einem fernern Land seinem Lehrmeister begegnet. Jahre später kehrt er, erleuchtet, nach Hause zurück. Dank seiner Chuzpe und Geistesgegenwart wird er von der Strasse weg dazu berufen, sein Land zu reformieren. Seither lebt er mit seiner Familie glücklich bis zum Tod.

Wie gleichwohl alles wahr ist
Jedoch findet sich in den erwähnten Zeichnungen auch das genaue Gegenteil eines Märchens, nämlich die stark geraffte Zusammenfassung der politischen Wirren im ausgehenden Osmanischen Reich. Es waren unruhige Jahrzehnte, in denen aus einer absolutistischen Regierung zuerst eine konstitutionelle Monarchie (Meşrutiyet) hervorging. Eine solche existierte kurzfristig schon im Jahr 1876, also knapp neunzig Jahre nach der französischen Revolution und nur fünfzehn Jahre nach den italienischen Unabhängigkeitskriegen. Damals unterstützte Sultan Abdülhamid II. die Einführung eines parlamentarischen Systems. Sobald er aber fest im Sattel sass, wandelte er sich zum Tyrannen.

Um 1900, wenn unsere Geschichte beginnt, erstarkte die Opposition gegen die Monarchie von Neuem. Wie im 19. Jahrhundert waren ihre Vorkämpfer die Intellektuellen der Zeit, hohe Beamte, Offiziere, weltgewandte Schriftsteller und Reformer, die man nun Jungtürken (Jön Türk) nannte. Offen wandten sie sich gegen den absolutistischen Regierungsstil desselben Sultans, Abdülhamid II., obwohl viele von ihnen, wie Azades Vater, faktisch noch in seinen Diensten standen. Als die Aufstände und Machtkämpfe ausbrachen, floh der ‚Löwe’ ins Ausland, vielleicht, weil er als Diener zweier Herren zwischen den Fronten zermalmt zu werden drohte, vielleicht, weil er in Wahrheit eine Mission hatte... Jedenfalls kehrte Azades Vater erst wieder zurück, als die Jungtürken den Sultan 1909 in die Knie gezwungen hatten und die Verfassung der konstitutionellen Monarchie restauriert war, und gelangte an den hohen Posten, möglicherweise, weil er sich als Gemässigter erwiesen hatte. Vielleicht hatte er aber einfach nur Glück.

Auf dem Höhepunkt der Revolution 1909 soll der als Freiheitsheld gefeierte Enver Bey folgende Worte ausgerufen haben: „Wir sind alle Brüder. Es gibt keine Bulgaren, Griechen, Serben, Rumänen, Juden oder Muslime mehr. Unter demselben Himmel sind wir alle gleich und rühmen uns, Osmanen zu sein [...]. Es lebe die osmanische Nation!“[1]. Auch das Herz des jungen Vaters schlug so ungestüm für die Idee des Liberalismus (das Wort entstammt dem Lateinischen liber: frei), dass er seine Erstgeborene ihr zu Ehren „Freiheit“ nannte.

Erst vor Kurzem hat der peruanische Schriftsteller Mario Vargos Llosa das politische Konzept des Liberalismus, offensichtlich aus aktuellem Anlass, wie folgt definiert: „Der Liberalismus war einst eine fortschrittliche, intellektuelle und politische Philosophie, die sich im 19. Jahrhundert gegen Militarismus und Diktatur stellte, die Trennung von Staat und Kirche sowie die Gründung einer demokratischen, zivilgesellschaftlichen Kultur forderte“. Damals wurden Liberale, wie Llosa fortfährt, „verfolgt, ins Exil getrieben, ins Gefängnis geworfen oder umgebracht“. Im Angesicht des Linksextremismus jedoch verzerrte sich die Idee des Liberalismus zum Wahlspruch der Konservativen. Und heute, so Llosa weiter, sei sie zur Devise der unerbittlichen Profiteure des freien Marktes verkommen. Nur „kleine Kreise [blieben mit den] ursprünglichen Ideen und wahren politischen Zielsetzungen vertraut.“[2]

Nun sehen wir Azades gutaussehenden Vater ohne Fez. An seiner Seite ist für ein einziges Mal die Gattin zu sehen. Sie trägt die gepflegte Pompadour-Frisur und ein enganliegendes, hochgeschlossenes elegantes Kleid der Belle Epoque. Beide neigen die Köpfe liebevoll dem Mädchen in ihrer Mitte zu, das etwa fünf Jahre alt zu sein scheint. Es ist ein Bild des privaten Glücks, das diese Familie zugleich als Mitglied der gutsituierten und weltoffenen Gesellschaftsschicht Istanbuls zeigt (Zeichnung 5). Bald wird eine weitere Tochter geboren. Die beiden Mädchen erhalten eine deutsche Nanny und privaten Klavier-, Ballett-, Sprach- und Literaturunterricht. Später pflegen sie intensiven Kontakt sowohl mit der europäischen Avantgarde im Ausland als auch mit der städtischen Elite im spätosmanischen Reich (Zeichnungen 10 und 15).

Die Freiheit der Bourgeoisie
Die Erzählung über die Karriere des Vaters setzt sich fort. 1916, als Azade acht Jahre alt war, gründete er das Jugendfestival. Es fand erstmals im Taksim Stadion statt, damals „ein unbefestigtes Feld inmitten militärischer Schulbaracken“, auf dem heute der berühmte Gezi-Park steht. Diese Verbindung zwischen Militär und Gezi-Park alarmiert. Ich erinnere mich an das Jahr 2013, als die Bevölkerung landesweit mit Demonstrationen, die als Proteste gegen die Überbauung des Gezi-Park begonnen hatten, gegen die Politik der türkischen Regierung protestierte, die von Armee und Polizei unerbittlich niederschlagen wurden. Suggeriert die Künstlerin eine Verbindung zwischen den Jahren 2013 und 1916?

In der Tat. Während des Ersten Weltkriegs verwandelte sich die anfänglich demokratisch gesinnte jungtürkische Bewegung erneut in eine Diktatur, die wiederum von politischen Wirren und Putschen begleitet war. Dissidenten wurden verfolgt und umgebracht. Gleichzeitig führte die Regierung Kriege gegen ihre Provinzen Serbien, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Libyen, ordnete Massaker und ethnische Säuberungen gegen die Minderheitsvölker der Armenier und Griechen an im Wissen, dass diese Genozide widerstandslos im Chaos des Weltkrieges untergehen würden. Am schlimmsten waren die Jahre 1915 und 1916 mit ihren gnadenlosen Genoziden und Vertreibungen. Nun aber hören den ‚Löwen’ nicht für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit brüllen. Unbeirrt klettert er die Karriereleiter hoch.

‚Freiheit’, unsere Erzählerin verliert kein einziges Wort über diese Verfolgungen und das Sterben. Trotzdem sind Azades Erinnerungen aufschlussreich, denn sich die Welt ordentlich und diszipliniert vor:: Eine streng organsierte Jugend marschiert mit Überzeugung im Schlammfeld. Das Trainingsprogramm führte Azades Vater von seinem Lehrer ein, dem bedeutenden schwedischen Reformpädagogen Per Hendrik Ling, der nach 1800 eine militärisch ausgerichtete Leibeserziehung entwickelt, die zum Anfang der Sportgymnastik wurde. Ling verknüpfte sein Sportsprogramm so erfolgreich mit den Sagas der Wikinger (welche bekanntlich ein kriegerisches Volk waren), dass seine Gymnastik um 1813 sowohl in der schwedischen Armee als auch in den schwedischen Schulen eingeführt wurde. Eine ähnliche Bewegung gab es zeitgleich in Deutschland unter ‚Turnvater’ Friedrich Ludwig Jahn; auch das deutsche Turnen war von Anfang an mit einer entschieden rassisch geprägten Nationalbewegung verknüpft.

Azades Vater bringt die Noten eines schwedischen Volkslieds in sein Land und lässt es dort zum Jugendmarsch „Dağ Başını Duman Almış“ umschreiben, das bis zum heutigen Tag am Jugendfestival des 19. Mai aufgeführt wird (Zeichnung 13). Dieser Tag ist zugleich ein hoher Feiertag, weil er an den Beginn des Befreiungskrieges unter Mustafa Kemal Atatürk erinnert. Auch die Verankerung des Volkstanzes Zeybek in einen Nationaltanz folgt der gleichen Logik (Zeichnung 14). "I wonder who’s idea this was“, fragt Azade, rhetorisch, denn natürlich fügen sich diese „Ideen“ mit Leichtigkeit in die Anfänge von Atatürks Nationalbewegung, welche die Reste des Osmanischen Vielvölkerstaats erfolgreich in den türkischen Einheitsstaat umwandeln sollte. Den Zeybek wusste dem Vernehmen nach auch Atatürk zu tanzen. So offenbart sich in Azades Geschichte die ‚nationale’ Ideologie, obgleich sie anekdotisch getarnt ist.

DieGeschichte um den Jugendmarsch ist der Schlüssel, um Azades Vater mit dem Reformpädagogen Selim Sırrı Tarcan (1874-1956) zu identifizieren, den der deutsche Turkologe Klaus Kreiser den „Turnvater Jahn“ der kemalistischen Türkei nennt[3]. Der rudimentären Biographie kann man entnehmen, dass Tarcan 1908 tatsächlich nach Schweden ging – allerdings als Sportstudent und nicht als oppositioneller Offizier in der Armee von Abdülamid II. Dieser Part war Teil des Lebens von Rıfat Pasha, Tarcans Onkel mütterlicherseits, den Abdülhamid II. bereits 1882 ins politische Exil nach Fessan verwies. Fessan war in osmanischer Zeit eine Grossprovinz im heutigen Libyen und ein beliebter Ort zur Verbannung von Dissidenten, da es von Istanbul maximal entfernt liegt. Demnach ist nicht Azades Vater, sondern wahrscheinlich ihr Grossonkel Rıfat Pasha der „Löwe“.

Unser „Löwe“ ist also eine Kunstfigur. Sie verknüpft die Biographie von Rıfat Pasha, der in der Opposition gegen den Sultan um 1876 aktiv war, mit dem jungen Selim Sırrı Tarcan, der immer nur ein aufrechter Kemalist gewesen ist. Azades Erzählung ‚lügt’ also – sofern wir historische Genauigkeit erwarten. „Die Wahrheit der Lüge“[4] besteht darin, dass sich die Freiheit durchsetzt – allerdings nur für kurze Zeit. Dann wird sie zur Ordnungsmacht und erstickte die Visionen anderer. Beide Männer haben dies am eigenen Leib erfahren – der Jüngere als Gewinner, der Ältere als Verlierer (wobei die Niederlage der Preis der Freiheit ist).

Reformen
Das Leben von Azades Familie verläuft auch in der kommenden Dekade geruhsam. Erst ab 1926 (Zeichnung 9 und Azades Portrait für Zeichnung 1) wird es wieder an Jahreszahlen gekoppelt. Wie nicht anders zu erwarten, sind auch die Jahre 1926, 1927, 1929, 1932 und 1934 historische Codes. Es sind jene acht Jahre, in denen Mustafa Kemal Atatürk Gesellschaft und Politik in der jungen Republik Türkei (die 1932 ausgerufen wird) tiefgreifend reformiert: zuerst durch die Abschaffung des Kalifats, dann durch die Kleider- und die Schriftreform sowie durch die Einführung europäischer Zivil- und Strafgesetzbücher und schliesslich durch die Emanzipation der Frauen.

Die Reformierung der Frauenrechte war, wie wir bereits wissen, ein Dauerthema in der Familie. Azade erzählt, sie und ihre Schwester hätten „hinreichende Chancen bekommen, ihre Talente und Interessen zu verfolgen“. Rechtzeitig, gerade als die jungen Frauen erwachsen wurden, erreichten die Bemühungen um die Verbesserung der Frauenrechte ihren Höhepunkt und Azade erinnert sich: „Als Familie waren wir eifrige Befürworter dieser Neuerungen“. Freilich hören wir hier unsere Heldin mit dem freundlich distanzierten, etwas gönnerhaften Ton der Oberschicht sprechen. Im Sinne des 19. Jahrhunderts musisch erzogen, mündete ihre unbeschwerte Jugend grundsätzlich in die Stellung einer repräsentativen Gattin. Da ‚Freiheit’ weder von einer arrangierten Ehe bedroht war noch eigenes Geld verdienen musste, war es wohl nicht opportun, unnötig oder sogar undenkbar, die neuen Rechte auch für sich selbst zu erkämpfen. (Zeichnung 15)

Ebenso ungerührt und ohne Mitleid erwähnt Azade einen der bedeutendsten türkischen Dichter, Nazim Hikmet, der gerne die berühmten Radiosendungen ihres Vaters gehört hätte, sie aber im Gefängnis nicht empfangen konnte. Tatsächlich sass Nazim Hikmet, der in Wahrheit viel berühmter als Selim Sirri war, zwischen 1933 und 1935 im Gefängnis, in dem dieser Teil unserer Geschichte spielt. Dies war jedoch keineswegs sein erste oder letzte Haftstrafe. Als Mitglied der illegalen Sozialistischen Partei der Türkei (TKP) wurde er permanent überwacht und ins Gefängnis gesteckt, 1938 sogar zu 28 Jahren, und sein Werk wurde von Staates wegen zensuriert und verboten. Derweil ist Selim Sırrı Tarcan Politiker geworden und politisiert im Parlament. (Zeichnung 19)

Und Azade?
„Die Erinnerung an die Vergangenheit“, so schreibt der deutsche Politikwissenschafter Ekkehart Krippendorff, „gehört zu unserer anthropologischen ‚Ausstattung’. Geschichte bedeutet aber auch Entscheidung. [...] So gibt es die traditionsreiche Herrschaftsgeschichte, die Geschichte als Heilsgeschichte, die Entscheidung für Geschichte als Nationalgeschichte, die Geschichte als Zivilisationsprozess von friedlichen Umgangformen, guten Sitten und verfeinerten Kulturinstitutionen. [...]. Wir haben die Freiheit, uns für unsere je eigene Geschichte zu entscheiden, uns – um es zunächst einmal sehr grob, zu grob zu formulieren – als Nachkommen und Erben der Herren oder der Knechte, der Sieger oder der Besiegten, der Grossen Männer oder der kleinen Leute zu verstehen und von daher unsere historisch-politische Identitäten zu bestimmen.“[5]

Mit einem Mal hören wir in Azades Erinnerungen vor allem den Vater, der seinen Töchtern die politischen Umwälzungen als Märchen verpackt geschildert hatte. Erstaunlicherweise weicht Azade auch später, als erwachsene Frau, nicht davon ab, kehrt vielmehr gerne dahin zurück. Wenn ich ihr zuhöre, beschleicht mich das Gefühl, dass sie an den Ereignissen, die ihr ein bequemes Leben verschafft haben, nicht besonders interessiert war. Was hoffnungsvoll mit der Istanbuler Mary Pickford begann, stellt sich als das Trugbild einer freien Frau heraus. Obgleich Azade sich selbstbewusst zu den Gewinnern der Geschichte zählt, hat sie sich darin keine autonome Position erobert. Ihr Schicksal erinnert entfernt an Latife Ussaki, die Ehefrau Kemal Atatürks, der es trotz faktischer Gleichstellung der Frau nach der Scheidung ohne den starken Mann an ihrer Seite nicht mehr gelang, an ihre politischen Projekte anzuknüpfen. Wo sich Azades Vater die Freiheit des Siegers nahm, die Geschichte zu verschleiern und zu verschönern, produziert das Gedächtnis seiner Tochter Leere und unzugängliche Lücken. Wie Jan Assmann und Alaida Assman in ihren Forschungen betont haben, gibt das kulturelle Gedächtnis nicht nur Erzählungen weiter, sondern verhärtet auch Interpretationen und blinde Flecken. Was verschwiegen wird, kann sich auch als unbewusstes Trauma weitervererben. Bei Azade äussert es sich womöglich als Gefühl der Machtlosigkeit.

Die Restauration der Freiheit
Nancy Atakan zeichnet die blinden Flecken nach, platziert darin aber kleine Hinweise, durch die das Verdrängte rekonstruierbar wird. Das Resultat ist wie ein kunstvolles Palimpsest, ein altes, mehrmals beschriebenes Schriftstück aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks, als man die Tintenspuren immer wieder abschabte, um das teure Pergament neu nutzen zu können. Im Verlauf der Jahrhunderte arbeitet sich die alte Farbe dann allmählich wieder in den Vordergrund und verschwimmt mit dem darüberliegenden Text, sodass solche Handschriften mit der Zeit immer schwerer lesbar wurden.

Wie in einem Palimpsest enthält My Name is Azade mehrere Erinnerungen: die des autoritären Patrons, die der ohnmächtigen Tochter und die der kontextualisierenden Künstlerin. Die Erzählerin der Gegenwart, Nancy Atakan, musste sehr subtil vorgehen, um die Wucht der Gewinnerperspektive zu konservieren und trotzdem zu dekonstruieren. So setzt sie nur jene Jahreszahlen historischer Ereignisse in Szene, die aus der Perspektive der Sieger erinnert werden und auf diese Weise alternative Informationen beredt verschweigen können. Andererseits spitzt Nancy Atakan die märchenhafte Diktion, die der Autobiographie Azades selber innewohnt, ein wenig zu. So entsteht, rund um die Figuren wie zwischen Erfindung und Wirklichkeit schillernde Gedankensplitter, allmählich eine semi-fiktionale Geschichte.

Auch ihre Handschrift hat die Künstlerin einem Palimpsest angeglichen, indem sie Azades Erinnerungen zunächst nur mit feinem Strich notierte und diesen ersten Schriftzug dann mit kräftigem Druck nachzog. Die Wiederholung sitzt jedoch nicht genau auf der Vorlage, und so verunklärt sich der Text, sodass sich die Lektüre erschwert und verlangsamt, wir umgekehrt  aber mehr Gelegenheiten erhalten, das Konstrukt von Azades Erzählung zu entdecken. (Für die Version auf Treibsand wurde eine Textschicht weggelassen, damit der Text besser lesbar wird.)

Weiter hat die Künstlerin Stills aus der Videokassette, die Azade ihr überlassen hat, und einer Reihe von Fotografien aus Familienbesitz in Bleistiftzeichnungen übersetzt. Es sind feine Bleistiftzeichnungen, die eine überaus zurückhaltende Ästhetik besitzen. Diese Zeichnungen deuten das Original nur vage an, verwischen die individuellen Züge der Porträtierten. Mit der gleichen Absicht trägt auch unsere Protagonistin nur einen Vornamen, während die übrigen Personen nur Vater, Schwester, Ehemann, Nichte und Sohn heissen. Sachte anonymisierend, aber ohne zu verzerren, öffnet Nancy Atakan den Weg für eine tiefsinnige Reflektion über das Gedächtnis, seinen Willen und dessen Schlaf. In der Arbeit My Name is Azade sucht das Gedächtnis der Protagonistin nach Harmonie, Ordnung und Behaglichkeit. Wie Edward Said am Beispiel von Jane Austens Roman Mansfield Park (publiziert 1814) beispielhaft erläutert, stellen sich diese angenehmen Qualitäten ein, wenn die Anderen diszipliniert und kontrolliert werden können[6].

Epilog
Erst auf den fünf letzten Seiten berichtet Azade über ihr eigenes Leben in einer äusserst sachlichen Aufzählung über Heirat, Kinder, Wohnorte, Umzüge und das Erteilen privater Gymnastikstunden. Die Schilderung ist ernüchternd. Pracht und Erregung sind verschwunden, die Langeweile hat sich breit gemacht. Trotzdem scheint die Figur Azades dieses Leben für die „beste aller möglichen Welten“[7] zu halten. Doch „Erkenntnis“, so schreibt Robert Pogue Harrison, „‚basiert‘ nicht auf Gewissheit. Es ist eher so, dass sie von Gewissheit ‚ausgeht‘“[8]. Jeder kann seinen Löwen frei wählen; sein Name kann Rıfat Pasha sein, Nazim Hikmet oder alle, die sich friedlich im Gezi Park versammelt haben. Nancy Atakan gibt uns den geistigen Reichtum aus der Vergangenheit zurück. Sie sieht hinter die Geschichtsklitterung, aktiviert die gescheiterten Träume und öffnet ihnen ein Fenster in die Zukunft.

 

 

[1] Rasmin Marz, Das Osmanische Reich auf dem Weg nach Europa. Neue osmanische Geschichtsschreibung, BoD Books on Demand, Norderstedt, 2013, S. 111.
[2]
Mario Vargos Llosa, Bekenntnisse eines Liberalen, NZZ vom 13. September 2014, S. 57.
[3]
Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie, C.H. Beck, München, 2008, S. 137-138.
[4]
Die Formulierung entstammt dem Titel des Essaybandes von Mario Vargas Llosa Die Wahrheit der Lüge. Essays zur Literatur, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1994.
[5]
Ekkehart Krippendorff, Die Kunst, nicht regiert zu werden. Ethische Politik von Sokrates bis Mozart, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1999, S. 263-268.
[6]
Edward Said, Culture and Imperialism. Culture and Imperialism, Alfred A. Knopf, New York, 1993, S. 87.
[7]
Ein berühmter Satz des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz, den Voltaire in seinem Roman Candide ou l’optimisme (erschienen 1759) parodiert, als er den gleichnamigen Jüngling in schier endlosen Wiederholungen zum unschuldigen Opfer sämtlicher Verwüstungen des 18. Jahrhunderts werden lässt.
[8] Robert Pogue Harrison, The Dominion of the Dead, University of Chicago Press, Chicago, 2003, S. 92.

 

Nancy Atakan

Azalee or on Freedom
ein Essay by Susann Wintsch, October 2016

My Name is Azade is literally a multi-layered picture story about the fragility of freedom and the ductility of truth. Nancy Atakan tells the story using 23 delicate drawings captioned with the memoirs of an Istanbul exercise therapist named Azade. A few years before she retired, she recorded a videotape for her pupils, amongst them Nancy Atakan, to pass on her technique. Only on the penultimate drawing do we learn of the videotapes existence. Until then, the artist does not reveal the origin of this story about a woman whose name in English means ‘Freedom’ and whose memories mirror the diverse history of the early 20th Century.

Azade and the Lion
The first drawing shows a young woman wearing a bob hairdo with a jaunty curl styled to fall on her forehead. At the end of World War I in 1918, the Canadian actress and film producer Mary Pickford had this western haircut, a symbol for an independent, progressive and spirited woman. Just as self-confident and bold as this successful film actress, Azade gazes out of the picture; admittedly, in 1918, she was too young to have fulfilled the promise of her name. Since in the picture ‘Freedom’ appears to be just coming of age, we can date it to the year 1926.

Also adapted from a portrait photograph, the following drawing shows Azade’s father around 1900 as a young soldier with a large moustache and wearing a fez. Azade describes her father both as a lieutenant and personal assistant of the Sultan who was, at the same time, orating in public places about freedom and democracy. Through these performances he earned the nickname, ‘Lion of the Constitutional Monarchy’ (Meşrutiyet Aslan). Azade continues: “Actually, my father was an activist”. Nancy Atakan places this comment by Istanbul’s Mary Pickford between the tip of her father’s moustache and the collar of his uniform to let western prejudice about a ‘despotic oriental society’ collide with the avant-garde (customarily believed by western readers to be an exclusively western phenomena).

On the next drawing, Azade records that her father’s life in 1909 was threatened twice: first, by the Young Turks (Yön Türk), envying his charismatic speeches; and second, by the angered sultan, wanting to assassinate him as a traitor for the same reason. Therefore, the young lieutenant fled to Sweden where he became acquainted with the gymnastic movements being taught by Per Henrik Ling. “This education”, continues Azade, “changed our lives“ (drawing 3). To our amusement, we see young men sitting in precise rows on the floor, strengthening their stomach muscles. As if making a comparison between good and bad, in the next drawing is a muscular man, perhaps a traditional oil wrestler who resembles Azade’s father. Over his shoulder, we can read the smug remark, “muscles do not equal good health“ (drawing 4).

In her memoirs, Azade remains fascinated by her father’s story that seems to cast a spell over her memoirs. Scarcely back in Istanbul, undauntedly he continues his activities on the streets. Unemployed, he accidentally encounters the Minister of Education who promotes him straight away to the position of Inspector of Physical Education for the Ottoman Empire (drawings 5 and 6). In this position, step-by-step he changes the dress code requiring females to wear headscarves while doing exercise by convincing the highest religious leaders that a turban, and therefore also a headscarf, is cumbersome while exercising (drawing 8). Around 1932, Azade’s father is depicted sitting behind a microphone as he reaches the entire nation with his charismatic radio speeches. He promotes the idea of the healthy body as a way to attain a “modern way of life” that will open up new prospects in society and politics (drawing 18). To teach exercises to his listeners, he describes the movements being performed in the studio by his two daughters who had studied dance and gymnastics in Berlin (drawing 10).

The adventures of a young turk
Cunningly, Nancy Atakan vacillates from hot to cold in this story she has written in English for the western reader. At times astonished at other times amused, all of a sudden I became highly irritated. Mingling fragments of historical information into an artfully shortened picaresque novelette full of deadpan humour, the artist makes it increasingly impossible for me to distinguish fact from fiction. Pitilessly I am misled – although bewilderment is part of the pleasure. Slowly I begin to suspect that my knowledge about and understanding of history is being tested under a microscope.
Expertly the artist inserts beliefs about the despotic, chaotic and unpredictable orient: An upright youth is in jeopardy because both the Sultan and jealous peers aim to murder him. His escape casts him into the vast unknown until he meets his master in a far away land. Returning home after having been enlightened, but still with the same chutzpah and presence of mind, he is called upon to reform his country and lives happily ever after with his family.

How nonetheless all is true
In the mentioned drawings, I can also find the exact opposite of a fairy tale, namely a concise summary of the political events occurring during the troubled decades at the end of the Ottoman Empire. Scarcely ninety years after the French Revolution and only fifteen years after the Italian wars for independence, an absolutistic regime devolved into a Constitutional Monarchy (Meşrutiyet). In 1876 Sultan Abdülhamid II acceded to the throne and supported the introduction of a parliament to prove his willingness for reform, but after gaining power, he changed his mind and became a tyrant.
By 1900, when our story begins, opposition to the monarchy had again gained strength. As in 1876, the opposition leaders were the intellectuals of the empire, high-ranking officials, sophisticated authors and urban reformers now called the Young Turks. Even though many, like Azade’s father remained de facto in service to the Sultan, they had turned against the absolutist ruler, still Abdülhamid II.  As rebellion and power struggles erupted, the ‘Lion’ fled the country; perhaps he was in danger of being crushed between the two opposing forces he served; perhaps he actually had a mission…Regardless of the reason, when the Young Turks defeated the Sultan and restored the constitution, he returned and attained his post either because he was politically in-between or just lucky.

At the climax of the revolution in 1909, celebrated as freedom’s hero, Enver Bey, is said to have proclaimed: We are all brothers. There are no more Bulgarians, Greeks, Serbs, Rumanians, Jews or Muslims. Under the same sky, we are equal and are proud to call ourselves Ottomans [...]. Long live the Ottomans![1] Obviously in the same spirit, this young father named his firstborn ‘Freedom’, following the impetuous beating of his heart in tune to the idea of liberalism (originating from the Latin word “liber“: free).

Clearly motivated by current events, the Peruvian author Mario Vargos Llosa recently defined the political concept of liberalism. He wrote that 19th century liberalism was a progressive, intellectual and political philosophy that opposed militarization and despotism, demanded the separation of state and religion, and asked for the establishment of a secular culture based on democracy. He continues to explain that at that time, liberals were persecuted, driven into exile, thrown into prison or executed; but over time under the countenance of left extremism, the original idea of liberalism became a device used by conservatives. Furthermore, Llosa says that today liberalism is accepted as the motto for merciless profiteers of the open market and that only a small circle of people remains familiar with the original ideas and the real political objectives.[2]

Azade’s handsome father without a fez stands for the first and last time beside his well-groomed wife who has a Pompadour-hairdo and is wearing a tight high-necked elegant dress characteristic of the Belle Époque. Both lean their heads lovingly towards their five-year old daughter who is positioned between them. A picture of private happiness, it shows this family as well-situated and open-minded members of the Istanbul urban upper class (drawing 5). Another daughter is born. The two girls are raised by a German nanny and receive private piano, ballet, language and literature lessons; reading further, we realize they have an intense liaise with both the European avant-garde abroad and the urban elite of the late Ottoman Empire (drawing 10 and 15).

The Bourgeoisie’s freedom
The story about her father’s career continues. In 1916 when Azade is eight years old, he establishes the Youth Festival that initially took place in Taksim Stadium, “a dirt field in front of the military school barracks“, that is the location of today’s famous Gezi-Park. I am momentarily startled by this connection between the military and Gezi-Park. Resonating inside me are the sounds and images from the 2013 merciless attacks by the police on innocent protestors who began with a wish to stop the destruction of trees in Gezi-Park and ended in mass demonstrations against the politics of the present Turkish regime.  Does the artist suggest a connection between 2013 and 1916?

Indeed she does. During World War I, the initially democratic minded Young Turk Movement transformed into a dictatorship accompanied by political chaos and military coups. Dissidents were persecuted and murdered. Simultaneously, the Ottoman regime waged an internal war against its provinces, Serbia, Rumania, Bosnia-Herzegovina, and Libya. It also ordered massacres and ethnical cleansing of Armenians, Greeks, and other minority populations, knowing for sure they would remain undefended in the chaos of the worldwide war. The worst years of merciless genocide and expulsion were 1915 and 1916.  But now, I do not hear the “Lion” roar for freedom, equality and fraternity. He unperturbedly climbs the ladder of his career.

‘Freedom’, our storyteller, mentions not a single word about the persecutions and deaths. Nevertheless, her memories are most informative because they present an ordered and disciplined world. The regimentally trained youth march with conviction in a dirt field. Azade’s father adapted this training program from his teacher, Per Henrik Ling, a famous and important Swedish reformist. At the beginning of the 1800s, Ling developed a military-based physical education, the beginning of sports gymnastics. Since Ling successfully merged the myths and sagas of the Vikings (known as a belligerent people) with his sports program, both the Swedish army and Swedish schools adapted his gymnastics in 1813. A similar movement appeared in Germany under the so-called “Father of Gymnastics”, Friedrich Ludwig Jahn. From the beginning, like their Swedish counterpart, German gymnastics were tied to a specific racist national movement.

Azade’s father brought the music score of a Swedish folk song into his country. New lyrics were written to transform this melody into the youth march, Dağ Başını Duman Almış, for the Youth Festival that continues to take place annually on May 19th(drawing 13). At the same time, this day is an important public holiday because it commemorates the beginning of the liberation war under Mustafa Kemal Atatürk. The description of the transformation of the Zeybek folk dance into a nationalistic performance follows a similar logic (drawing 14). Rhetorically Azade queries, “I wonder whose idea this was?” This ‘idea’ fits the principles of the national movement of Atatürk that would successfully change the multi-cultural Ottoman Empire into the Turkish state of unification and assimilation. Of course, Ataturk is said to have danced the Zeybek. In the story, ‘national’ ideology becomes apparent even though camouflaged by anecdotes.

With the clue about the youth anthem, I could identity Azade’s father as the reformist pedagogue, Selim Sırrı Tarcan (1874-1956), that the German Turkologist Klaus Kreiser calls “Father Jahn“ of Kemalism in Turkey.[3] In his rudimentary biography, we learn that Tarcan did indeed go to Sweden – but as a sports student, not as a lieutenant in Abdülhamid II’s army. Instead of Tarcan being expelled, his maternal uncle, Rıfat Paşha, was banished by Abdülhamid II in 1882 to Fezzan, then an important province in today’s Libya and a popular place for re-locating dissidents due to its extreme distance from Istanbul. Therefore, the “Lion“ must be Azade’s granduncle and not her father.
In other words, “Lion” is an artificial figure, created by linking the biography of Rıfat Paşha, who probably was an activist in the years around 1876, to that of the very young Selim Sırrı Tarcan, an always straight forward Kemalist. Only ¬if we expect historical exactness in fiction would Azade’s story be a lie. The “truth of the lies”[4] consists of the fact that freedom pushes forward – but only for a short time. When it is established, it turns into a discipline and suffocates the visions of others. Both Rıfat Paşha and Selim Sırrı have experienced this, the younger as victor, the elder as a loser (but sometimes defeat is the prize of freedom).

Reforms
The life of Azade’s family continues peacefully for the next decade. Only after 1926 (drawing 9 and Azade’s portrait in drawing 1) do dates reappear. Unsurprisingly, the years of 1926, 1927, 1929, 1932 and 1934 represent historical codes. During these eight years, Mustafa Kemal Atatürk deeply transformed the society and politics of the young Turkish Republic (declared in 1923), first by abolishing the caliphate, then by bringing both the dress and script reform, followed by a new civil law and penal code, and finally with the emancipation of women.

Reforming women’s rights was a topic of discussion for this family. Azade says that she and her sister had “ample opportunities to develop our talents and interests“.  Punctually, just when the sisters become of age, the efforts to improve women’s rights reached its peak and Azade remembers, “As a family, we were avid supporters of these innovations”. However, at this point our heroine uses a friendly but distant, even patronizing upper class tone of voice. Educated artistically following the trend of the 19th Century, her carefree youth leads in principle to becoming a respectable model wife. ‘Freedom’ was neither threatened by an arranged marriage, nor did she need to earn money, therefore it was probably inappropriate, unnecessary or even unthinkable for her to fight for her own personal freedom. (drawing 15)

In the same way, untouched and unsympathetic towards plights of others, she light heartedly remembers that Nazım Hikmet, one of the most important poets of Turkey, would have liked to hear her father’s famous radio broadcasts, but he was unable to while sitting in prison. Indeed, Nazım Hikmet, who was in fact more famous than Selim Sırrı, was imprisoned from 1933 until 1935, dates concurrent to our story. This was neither his first detention nor his last. Being a member of the Socialist Party of Turkey, he was continuously persecuted, imprisoned (in 1938 even sentenced to a 28 year prison term) and his work subjected to censorship under state-run repression. (drawing 18) Meanwhile, Selim Sırrı Tarcan became a politician and a member of parliament. (drawing 19)

And Azade?
Remembering the past, writes the German political scientist Ekkehart Krippendorff, is an anthropological “tool”. But history also means making decisions. We can decide that history is the traditional history of rulers, or that it is salvation history, national history, or history as the process of civilization of social manners, good behaviour and sophisticated cultural institutions. We are free to decide about our own type of history. We can understand ourselves – to at first speak very crudely, too crudely – as descendants and heirs of either masters or servants, of either victors or the defeated, of either important or ordinary people, and consequently to determine our historical-political identity.[5]

Suddenly, I realize Azade’s memories are a story about radical political changes told by a father to his daughters as if it were a fairy tale. Amazingly as an adult, Azade does not refute this, but continues to remember it as a happy period. Reading her story, I have a funny feeling that she was not particularly interested in the events that made her comfortable lifestyle possible. What began optimistically as a story about Istanbul’s Mary Pickford, emerges as only an illusion of a woman with free will. Although Azade self-confidently believes herself to be one of history’s victors, she has not attained an autonomous position. From one perspective, her fate reminds me of Latife Ussaki, Atatürk’s spouse, who after fighting alongside him for women’s equality could not continue her political projects after divorcing this powerful man. Whereas Azade’s father chose the freedom of the winner to cover up and brighten his story for his children, his daughter’s memory of the same subject only produces empty gaps. As Jan Assmann and Alaida Assman emphasized, cultural memory passes on stories, but also strengthens interpretations and creates blind spots. That which is concealed leaves unconscious trauma – in Azade’s case possibly the feeling of powerlessness.

Restoring freedom
Nancy Atakan not only draws the blind spots, but also inserts small hints to help reconstruction of what has been suppressed. The result is an elaborate artistic palimpsest, a document dating to a time before the invention of letterpress printing, when traces of ink have been scraped off two or more times to re-use the valuable parchment. Over the centuries, the colour underneath works its way gradually to the foreground blurring the text on the top layer. In this way, over time, such manuscripts become increasingly harder to read. In the mode of a palimpsest, the artwork, My Name is Azade contains several memories: one about the authoritarian patron, another refers to the powerless daughter, and the last includes the artist who expands the context. As a storyteller of recent history, Nancy Atakan had to proceed subtly to both conserve and deconstruct the impact of the winner’s perspective.

On the one hand, she emphasized historical incidents that record the conquerors perspective while obviously withholding information, and on the other hand, she accentuated the fairy tale-like mode of expression inherent in the original autobiography. Written around drawings, the resulting layered story is composed of selected and compressed information that flashes back and forth between fiction and reality as the artist uses the pseudo-voice of the figure Azade.

The artist’s handwriting also fits the concept of the palimpsest. At first, she wrote down Azade’s memories using a delicate pencil line that was traced using a more powerful line. The lines above do not precisely adhere to the initial marks and therefore obscure the text and make the words more difficult to read. (On this Internet version, one layer of handwriting has been removed for easier reading.) But as the story slows down, we luckily have more opportunities to discover that Azade’s story is fabrication.

Using video-stills from the tape left to her by Azade and several photographs collected from a few family members and friends, the artist made delicate pencil drawings using an aloof and distant aesthetic. These drawings only vaguely resemble the original images of real people; in fact individual features are blurred and indistinct. With the same intent, only our protagonist has a name and then only a first name. Everyone else is referred to as father, sister, husband or son. Gently estranging, but never distorting, Nancy Atakan materializes a method to present a profound reflexion on memory with its wilfulness and forgetfulness. In My Name is Azade, Azade’s memory searches for and finds harmony, order and comfort. As Edward Said exemplified in Jane Austen’s novel, Mansfield Park(published 1814), by disciplining and controlling the other, harmony, order and comfort in life can be reached.[6]

Epilogue
Only in the last five drawings does Azade record her own life, but it is a factual and sobering listing of marriage, children, residences, re-locations and teaching private gymnastic lessons. No more splendour and magnificence, only boredom, as if Azade like “Candide” believes she already lives “in the best of all possible worlds“[7]. Yet, to continue with a visionary thought by Robert Pogue Harrison, “truth is not ‘based’ on certainty, rather it ‘proceeds’ from certainty.”[8] Everybody can freely choose a “lion”, his name can be Rıfat Paşha, Nazım Hikmet or those people who stood peacefully together in Gezi-Park. With these protagonists, Nancy Atakan opens up a window to see the richness of the past as a model for the future.
 
 
[1] Rasmin Marz, Das Osmanische Reich auf dem Weg nach Europa. Neue osmanische Geschichtsschreibung, BoD Books on Demand, Norderstedt, 2013, p. 111. (tr. by Susann Wintsch)
[2] Mario Vargos Llosa, Bekenntnisse eines Liberalen, NZZ, 13. September 2014, p. 57. (tr. by Susann Wintsch)
[3] Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie, C.H. Beck München, 2008, p. 137-138. (tr. by Susann Wintsch)
[4] Mario Vargas Llosa, La Verdad de las Mentiras, 2002, Santillana Ediciones Generales, S. L. Madrid, p. 16-17. (tr. from Spanish by Susann Wintsch)
[5] Ekkehart Krippendorff, Die Kunst, nicht regiert zu werden. Ethische Politik von Sokrates bis Mozart, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1999, p. 263-268. (tr. by Susann Wintsch)
[6] Edward Said, Culture and Imperialism, Alfred A. Knopf, New York, 1993, p. 87.
[7] Living “in the best of all possible worlds“ is a famous sentence written by the German philosopher Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646–1716), that the French philosopher Voltaire (1694–1778) parodies in his anonymous edited novel Candide ou l’optimisme (1759), a satire, where Voltaire puts his character Candide, an innocent youth, into ravaging situations, real and thinkable, of the 18th Century.
[8] Robert Pogue Harrison, The Dominion of the Dead, University of Chicago Press, Chicago, 2003, p. 92.